Der dystone Tremor ist
eine organische neurologische Bewegungsstörung, hierunter werden anhaltende,
unwillkürliche Muskelkontraktionen verstanden, die den Körper oder bestimmte
Körperteile in abnorme, manchmal bizarre Positionen zwingen.
Grundsätzlich kann
die Dystonie jeden treffen und in jedem Lebensalter auftreten. Unter einer
Belastungssituation nehmen die Symptome häufig zu (dies führte dazu, dass man
diese Erkrankung früher häufig als psychogene Störung ansah). Die Erkrankung
zählt mit einem Auftreten von fast 1% in der Bevölkerung zu den häufigen
neurologischen Erkrankungen/Erscheinungsformen.
Die Dystonien
werden unterteilt in fokale (nur ein abgegrenzter Bereich des Körpers ist
betroffen)
und generalisierte (der gesamte Körper ist betroffen) Dystonien.
Die fokale Dystonie
ist die häufigere Form. Dazu zählen unter anderem:
fokalen Dystonie zwei benachbarte Regionen betroffen, spricht man von einer
segmentalen Dystonie. Ursachen In weniger als 20%
der Fälle wird eine Ursache nachgewiesen (z.B. Schlaganfall, Tumor oder
Stoffwechselerkrankung). In den übrigen
Fällen (idiopathische Formen) ist eine solche direkte Ursache nicht nachweisbar.
Vermutet wird bei einem Teil der Patienten eine genetische Ursache.
Bei allen
idiopatischen Formen wird eine Störung der Funktion der Basalganglien (Zentren
im Gehirn, welche unter anderem für die Koordination von Bewegungen zuständig
sind) angenommen.
Therapie
Trotz intensiver Ursachenforschung gibt es für die Dystonien bisher keine ursächliche Therapie.
Die bisherigen Behandlungsstrategien zielen auf eine Linderung der bestehenden
Beschwerden. Für die seltene Dystonieform der sog. "Dopa-responsiven Dystonie"
stellt die Behandlung mit L-Dopa in niedrigen Dosierungen eine über Jahrzehnte
ebenso effektive wie nebenwirkungsarme Behandlungsmöglichkeit dar. Die
Behandlung mit L-Dopa hat in aller Regel bei idiopathischen Dystonien keinen
Effekt.
Ein Durchbruch in der Behandlung
fokaler und vieler segmentaler Dystonien konnte durch die
Verfügbarkeit von Botulinumtoxin für die medizinische Anwendung erreicht werden.
Die Erfahrung mit Botulinumtoxin in medizinischen Anwendungen seit Anfang der
80er Jahre zeigt, dass keine Nebenwirkungen einer Langzeitbehandlung zu erwarten
sind.
Die tiefe Hirnstimulation
des Globus pallidus internus stellt aktuell noch eine
Reserve-Therapiemethode dar und wird vor allem bei den schweren, generalisierten
Dystonieformen eingesetzt. Bei fokalen oder segmentalen Dystonien ist die
Erfahrung bislang nur beschränkt und Voraussagen über einen Therapieerfolg sind
nicht sicher möglich.
Blepharospsmus (Lidkrampf)
Hierunter werden
unwillkürliche Bewegungen im Bereich der Augenlider verstanden, die zu
vermehrtem Blinzeln, Fremdkörpergefühl im Auge, und vermehrten Verkrampfungen
der Lider bis hin zu zeitweise auftretendem unwillkürlichem Lidschluss führen.
Dadurch kann die betroffene Person funktionell erblinden. Die Häufigkeit liegt
bei etwa 2/100000.
Verstärkt wird der Blepharospasmus
durch Flickerlicht (Fernsehen) und grelles Sonnenlicht. Viele
Patienten berichten über bestimmte "Tricks", mit denen sie die Augenöffnung
unterstützen können:
Einige Patienten summen oder singen, andere behelfen sich
durch Anlegen eines Fingers an den äußeren Augenwinkel.Tritt der
Blepharospasmus vergesellschaftet mit dystonen Bewegungen auch der unteren
Gesichtsetage (Mund, Kiefer) auf, spricht man vom "Meige-Syndrom". Das
mittlere Alter bei Beginn der Beschwerden liegt bei 50-60 Jahren.
Nicht selten kommen der Blepharospasmus
oder das Meige-Syndrom als tardive Dystonie vor, also eine
Spätnebenwirkung durch längerfristige, regelmäßige Einnahme bestimmter
Medikamente (vor allem Psychopharmaka wie z.B. IMAP-Spritzen.
Die Therapie der
Wahl besteht in lokalen Botulinumtoxin-Injektionen in die Lid- bzw. die
betroffenen Gesichtsmuskeln. Die Behandlung führt zu einer Entspannung der
Gesichtsmuskeln und in fast 90% der Fälle zur Wiederherstellung der
willentlichen Kontrolle des Lidschlusses. Außerdem sollte zum Schutz vor grellem
Licht eine stark abdunkelnde Sonnenbrille getragen werden.
Bewährt hat sich
ein standardisiertes Schema mit subkutanen Injektionen am medialen und lateralen
Rand des Oberlids sowie an einer bis zwei Stellen des Unterlids. Eine Injektion
in der Mitte des Oberlides sollte vermieden werden, da hieraus eine Ptose
(Herabhängen des Oberlides) aufgrund einer Lähmung des M. levator palpebrae
superior (Lidhebermuskel) resultieren kann.
Mit systemischen Nebenwirkungen
ist bei der üblichen Injektionsmenge nicht zu rechnen. Mögliche
unerwünschte Wirkungen sind vor allem ein lokales Hämatom, eine Ptose, eine
Keratokonjunktivitis, Doppelbilder, ein unvollständiger Lidschluss. Diese
Symptome bilden sich allesamt innerhalb von 2-4 Monaten vollständig
zurück.
Der spastische Schiefhals ist die häufigste Form der fokalen idiopathischen Dystonie. Durch
Kontraktion der Hals- und Nackenmuskulatur kommt es zur Seitdrehung oder
-neigung (Torticollis, Laterocollis) bzw. Beugung (Anterocollis) oder
überstreckung (Retrocollis) des Kopfes. Diese Bewegungsstörung verhindert häufig
die Ausübung eines Berufes oder das Führen eines Kraftfahrzeuges. Viele
Patienten klagen neben der Fehlstellung auch über starke Schmerzen. Oft besteht
zusätzlich ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Kopfzittern oder
unregelmäßiges Zucken (daher der Begriff "spasmodisch"), das sich oft dann
verstärkt, wenn der Kopf willentlich bewegt werden soll.
In der Regel
tritt der spastische Schiefhals erst im Erwachsenenalter auf (Altersgipfel: 40-50
Jahre) und beginnt meist schleichend über Wochen bis Monate, tritt in seltenen
Fällen aber auch abrupt von einem Tag auf den anderen ein. In einigen Fällen
greift die Störung auf die Schultern, den Arm oder das Gesicht über, dann
spricht man von einer "segmentalen Dystonie".
Von einer medikamentösen Therapie
in Tablettenform (insbesondere mit Anticholinergika)
profitiert weniger als die Hälfte aller Patienten. Diese ist außerdem mit
erheblichen systemischen Nebenwirkungen belastet. Deshalb wird die Therapie mit
Botulinumtoxin bei dieser Indikation mittlerweile als Therapie der Wahl
angesehen.
über ein
zufriedenstellendes Ergebnis wird nach der Literatur in 60 bis 90 % berichtet.
Patienten mit einem kürzeren Verlauf profitieren stärker von einer Therapie mit
Botulinumtoxin als Patienten mit einer schon länger bestehenden
Erkrankung.
Bei der Behandlung
bedarf es der Geduld von Patient und Untersucher. Die Wirkung setzt erst einige
Tage nach der Injektion ein. Bis zum Wirkungsmaximum können drei Wochen
vergehen. Eine Wiederholung der Injektionen ist 2 - 4 Monaten erforderlich.
Die häufigsten
unerwünschten Wirkungen sind eine Schwäche der Nackenmuskulatur, erschwerte
Kopfhaltung, Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Die am meisten gefürchteten
Schluckstörungen sind relativ selten.
Spasmus hemifacialis
Beim Spasmus hemifacialis handelt es sich um unwillkürlich einschießende, meist einseitige
Kontraktionen der mimischen Muskulatur durch eine Einengung des motorischen
Gesichtsnerven (N. facialis) unmittelbar nach Austritt aus dem Hirnstamm und
somit nicht um eine Dystonie.Trotz der
verschiedener therapeutischer Ansätze (Dekompressions-Operation nach Janetta,
membranstabilisierende Medikamente, v.a. Carbamazepin), ist wegen der großen
therapeutischen Sicherheit und einer Erfolgsrate von über 90 % die Behandlung
mit Botulinumtoxin mittlerweile die Therapie der
Wahl.
Spastische Tonussteigerungen
Ursachen für
spastische Tonussteigerungen sind in Schädigungen des zentralen Nervensystems zu
suchen, z.B. eine abgelaufener Schlaganfall, die Multiple Sklerose oder die
infantile Cerebralparese.
Einen weiteren
Stellenwert hat Botulinumtoxin in der Behandlung der spastischen Parese. Hiermit
können Patienten besser mobilisiert, Schmerzen vermindert und Spätschäden
(Kontrakturen) vorgebeugt werden. Besonders bewährt hat sich Botulinumtoxin zur
Therapie des Spitzfusses, der Beugespastik des Arms und der
Adduktorenspastik.
Vielen Dank für die freundliche Unterstützung an die AWMF und der
Expertengruppe:
Prof. Dr. G. Deuschl,
Neurologische Klinik der Christian-Albrechts-Universität Kiel
Prof. Dr. J.B. Schulz,
Neurologische Klinik der Universität Göttingen
Privatdozentin Dr. S. Spieker,
Neurologische Klinik, Städtisches Klinikum Dessau
sowie anFrau U. Kühn
Vorsitzende
Deutsche Dystonie Gesellschaft e.V.
Internet: http://www.dystonie.de