Eine Behandlung des ET ist immer dann
sinnvoll, wenn das Zittern den betroffenen Kranken in Alltagssituationen stört
oder behindert. Immerhin führt der ET bei ca. 15% der Erkrankten zu einer frühzeitigen Berentung
Nur die richtige Zuordnung
eines Zitterns zu
einer bestimmten Tremorform - also die klare diagnostische Klassifikation
erlaubt eine effiziente Therapie. So werden in aller Regel zur Behandlung des ET
ganz andere Medikamente eingesetzt als zur Behandlung eines Zitterns bei
Parkinson-Krankheit oder Dystonie.
Sind sich Patient und Neurologe einig
daß eine
Behandlung erfolgen sollte, dann wird im ersten Schritt eine medikamentöse
Therapie eingeleitet - Entspannungsverfahren können ebenfalls hilfreich sein,
z.B. Autogenes Training. Dazu muß man wissen, daß alle hierfür eingesetzten
Medikamente zunächst bei anderen Erkrankungen erprobt wurden, ein spezifisches
"Anti-Zitter-Mittel" gibt es leider nicht.
Am besten
untersucht und wirksamsten beim ET sind die Betablocker (meist Propranolol, oft
160mg, maximal 240 bis 320mg täglich - oft nur morgens einmal als
Retard-Tablette gegeben) und Primidon (250 bis 375mg täglich - oft nur abends
gegeben, langsame Eindosierung zwecks besserer Verträglichkeit, höhere Dosen nur
bei schon einsetzender Wirkung bis 375mg, maximal 1000mg täglich) - der Leser
ist natürlich dringend angehalten, vorher selbst den Beipackzettel zu studieren
und einen Arzt zu konsultieren, jede Dosierung erfolgt auf eigene Gefahr des
Benutzers!
Beide Medikamente
helfen bei ca. 40 bis 50% der Patienten und können auch kombiniert eingesetzt
werden. V.a. bei Betablockern müssen bestimmte Gegenanzeigen berücksichtigt
werden (z.B. Herzrhythmusstörungen, Asthma oder Diabetes), bei zu rascher
Aufdosierung macht Primidon oft Müdigkeit, übelkeit und Schwindel. Manche
Behandler beginnen bei jüngeren Patienten (Alter unter 60 Jahren) mit einem
Betablocker, bei älteren Patienten mit Primidon. Vor dem Ausweichen auf andere
Medikamente sollte auf jeden Fall die Kombinationstherapie von Betablocker und
Primidon versucht werden (in gewisser Analogie zur bewährten
Kombinationstherapie bei der Parkinson-Krankheit).
Für fast jedes Zittern, das
über einen leichten Tremor hinausgeht, ist die Kombination der beiden Substanzen
der Regelfall - sofern die Behandlung erwünscht ist.
Alle anderen
Medikamente (Anti-Parkinson-Medikamente sind beim ET nicht wirksam) können zwar
in Einzelfällen sehr hilfreich sein (das evtl. individuelle Ansprechen läß sich
leider nicht vorhersagen), kommen aber nur als zweite Wahl oder bei
Unverträglichkeit von Propranolol oder Primidon in Betracht. Relativ neu ist der
Einsatz des Antidepressivums Mirtazapin. In Frage kommen außerdem Clonazepam
oder Alprazolam (Medikamente der Diazepam-Gruppe), v.a. als Bedarfsmedikamente
in kritischen Situationen (Abhängigkeitsrisiko!), die Antiepileptika Gabapentin
und Topiramat, außerdem Clozapin (Blutbildkontrollen unbedingt erforderlich!),
manche Behandler versuchen Flunarizin.
Zusammenfassend kann gesagt werden
daß sich die richtige diagnostische Zuordnung eines Tremors häufig schon
aus Anamnese und neurologischer Untersuchung ergibt. Dies braucht Zeit und
Aufmerksamkeit, die beschriebenen Zusatzuntersuchungen dienen meist der
Ausschlußdiagnostik. Die Behandlung erfordert bei Patient und Arzt ein gewisses
Maß an Geduld.
Die Auswahl des
individuell richtigen Medikamentes orientiert sich zwar einerseits an der
medizinischen Wissenschaft (Propranolol und Primidon als wirksamste Substanzen),
sie wird mitunter aber auch nebenwirkungsgeleitet sein (d.h. bei bestimmten
Vorerkrankungen verbietet sich das eine oder andere Medikament) oder sie richtet
sich nach den Bedürfnissen des Betroffenen (z.B. Dauermedikament oder Tabletten
nur bei Bedarf, etwa vor bestimmten Stress-Situationen).
Manches in der professionellen Therapie
des ET ist sicher auch ärztliche Kunst - gelegentlich
aber auch einfach Versuch und Irrtum. Mitunter wird man bei Bewegungsstörungen
auch als Neurologe seinem Patienten (oder seiner Patientin) sagen müssen: "Ich
bin nicht sicher, was es ist. Wir versuchen etwas und schauen, was geschieht."
Auf jeden Fall muß die fachmännische Therapie des ET im Dialog mit dem Patienten
individuell abgestimmt werden.
Soviel zum Therapiebeginn
beim ET in der
neurologischen Praxis. Die operative Behandlung, die in schwereren Fällen oft
sehr segensreich ist (tiefe Hirnstimulation, Hochfrequenzstimulation, Hirnschrittmacher"), steht nie am Anfang einer Behandlung eines Tremors, ein
schwerer Tremor kann aber meist nur operativ mit Erfolg behandelt werden (oder
der Betroffene findet sich damit ab und lebt damit). Erwähnt sei noch die
Injektion von Botulinumtoxin, die sich bei Dystonien bewährt hat (auch beim
dystonen Tremor) - die Studienlage zum ET ist da z.Z. noch etwas uneinheitlich
(Injektion beim ET meist sehr individuell in einzelne Muskeln des Ober- und
Unterarmes), in der Regel spricht der Kopftremor deutlich besser darauf an als
der Händetremor.
Dieser Text wurde uns freundlicherweise von Herrn;